Ich erlebe in meinem schulischen Alltag immer wieder, dass unser Bildungssystem Kinder zu Objekten einer Beschulung macht. Statt ihre natürliche Neugier zu fördern, werden sie mit vorgegebenen Inhalten versorgt, die sie nicht aus eigenem Antrieb, sondern aus Pflichtgefühl aufnehmen. Lernen wird dadurch zum Müssen – nicht zum Wollen.
Kinder kommen mit einer natürlichen Lust am Entdecken, Gestalten und Fragen in die Welt. Doch früh erleben viele, dass sie so, wie sie sind, nicht richtig sind. Sie werden bewertet, verglichen und eingeordnet. Das führt bei einigen dazu, dass sie lernen, andere zu manipulieren, um zu bestehen, während andere anfangen, an sich selbst zu zweifeln. Beides hat mit echtem Lernen nichts zu tun.
Diese Erfahrung hinterlässt Spuren – auch seelisch. Wenn Kinder dauerhaft erleben, dass sie nur dann Anerkennung bekommen, wenn sie funktionieren, empfinden sie das ähnlich schmerzhaft wie eine körperliche Verletzung. Ausgrenzung oder das Gefühl, „nicht richtig zu sein“, trifft jeden Menschen tief. Mit der Zeit verlieren Kinder dadurch Freude, Mut und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
Gleichzeitig zeigt sich, dass viele Unternehmen und Hochschulen mit den Ergebnissen der Schule unzufrieden sind. Zeugnisse sagen wenig über Kreativität, Eigenverantwortung oder Teamfähigkeit aus – genau die Eigenschaften, die in unserer Gesellschaft und Wirtschaft immer wichtiger werden. Wir brauchen Menschen, die selbstständig denken, gestalten und Verantwortung übernehmen können – keine reinen Befehlsempfänger.
Schule müsste deshalb wieder ein Ort werden, an dem junge Menschen sich als handelnde Subjekte erleben. Lernen gelingt nur in Beziehung – zwischen Menschen, die sich gegenseitig ernst nehmen. Wo Kinder und Jugendliche spüren, dass sie gesehen werden, entsteht Neugier, Engagement und Verantwortungsbereitschaft.
Auch meine eigene Arbeit als Lehrer im Fach Technik orientiert sich an diesem Gedanken. Wenn Schülerinnen und Schüler selbst planen, entwerfen, bauen und ausprobieren dürfen, erleben sie, dass ihr Denken und Handeln Bedeutung hat. Sie erfahren, dass Fehler erlaubt sind und dass Lernen etwas Lebendiges ist.
Lehrkräfte sollten keine Belehrer sein, sondern Lernbegleiter, die ermutigen, inspirieren und Räume für Entwicklung schaffen. Meine Aufgabe sehe ich darin, Schülerinnen und Schüler dabei zu unterstützen, Vertrauen in sich selbst zu gewinnen und Freude daran zu entwickeln, eigene Ideen umzusetzen.
Denn Lernen ist kein Abhaken von Inhalten – Lernen ist Beziehung, Verantwortung und Selbstwirksamkeit.